Der Bezahldienstleister Wirecard galt vor nicht langer Zeit noch als große Hoffnung unter den deutschen Aktiengesellschaften – spätestens seit er im September 2018 in den DAX aufgenommen worden war. Damals stand die Aktie bei 182 Euro. Der Konzern wurde als Beleg dafür gesehen, dass Deutschland nicht nur „Old Economy“ kann, sondern auch im digitalen Bereich einiges zu bieten hat. Zwischenzeitlich war Wirecard fast so wertvoll wie die Deutsche Bank.
Kürzlich aber sank der Aktienkurs zunächst auf rund 15 Euro, nachdem sich herausgestellt hatte, dass 1,9 Milliarden Euro gar nicht wie ausgewiesen auf asiatischen Konten zu finden waren. Dann folgte am 23. Juni der Knall: Als erster DAX-Konzern musste Wirecard Insolvenz anmelden. Von Vorwürfen der Geldwäsche und des Bilanzbetrugs ist die Rede. Die Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer geben bei dem Skandal kein gutes Bild ab. „Vor den Augen der Aufsichtsbehörden in Bund und Ländern spielte sich ein beispielloser Betrug ab – den offenbar niemand bei den zuständigen Behörden sehen wollte.“ meint das Fachmagazin Der Aktionär. Die derzeitige Koalition aus SPD und CDU will der BaFin mehr Rechte und Pflichten auftragen. Die knapp 37.000 Finanzanlagenvermittler sollen unter Ihre Aufsicht. Der Bundesverband Finanzdienstleistungen weist vor diesem Hintergrund zu Recht daraufhin, dass das ein falscher Weg ist. Wer nichtmal einen 1,9 Mrd € Betrug wahrnimmt oder nach mehr als 1 Jahr Ermittlungen nicht aufdeckt, der sollte auch keine weiteren Befugnisse und Aufgaben erhalten. Angebracht wäre es, erstmal das zu können was aktuell behauptet wird…
Größer noch als die finanziellen Einbußen dürfte der psychologische Schaden sein. Zuletzt hatten sich die deutschen Anleger noch vorsichtig offener gegenüber einem Engagement an den Kapitalmärkten gezeigt. Die Lust darauf wird durch den Wirecard-Skandal einen Dämpfer erhalten, der am Ende möglicherweise mehr Geld kostet, als nun verpufft ist. Denn die hierzulande sehr ausgeprägte Vorliebe für „sichere“ Anlageformen ohne Verlustrisiko (berechnet vor der Inflation) sorgt alljährlich für zig Milliarden Euro an entgangenen Gewinnen.