Der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ (niemand muss sich durch seine Aussagen selbst belasten) ist ein zentrales Prinzip eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Nun wurde dieses Prinzip in einem Fall diskutiert, in dem eine Frau angeblich unzureichende Antworten auf die Fragen eines Versicherers gegeben haben soll.

Das Landgericht Osnabrück (LG) wies in einem Urteil vom 24.05.2023 die Klage gegen den Versicherer ab. Der Rechtsstreit drehte sich um Leistungen aus der Sachversicherung nach einem Brand, bei dem das Restaurant im Januar 2018 erheblichen Schaden erlitt. Ein von der Betreiberin beauftragter Sachverständiger schätzte den Schaden auf 640.000 Euro. Der Versicherer übermittelte der Versicherungsnehmerin einen Fragenkatalog, der etwa fünf Monate nach Erhalt von einem Rechtsanwalt beantwortet wurde.

Aus Sicht des Versicherers waren diese Antworten unvollständig, und die Restaurantbetreiberin wurde aufgefordert, die Fragen zu ergänzen – was jedoch nie geschah. Am 21.11.2018 teilte der Versicherer mit, dass er die Schadensdeckung ablehne, da die Versicherungsnehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Daraufhin forderte die Betreiberin eine Zahlung in Höhe von 632.090,28 Euro.

„Nemo tenetur“ – Nicht im Versicherungsverhältnis
Das LG entschied nun, dass die Versicherungsnehmerin vorsätzlich ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe, indem sie die Fragen des Versicherers nicht unverzüglich beantwortet habe. Die Kammer erklärte, dass der Versicherer Fragen stellen dürfe, die für die Beurteilung der Einstandspflicht relevant sein könnten, und dass die Versicherungsnehmerin auch Angaben machen müsse, die sie selbst belasten könnten. Der Grundsatz „nemo tenetur“, der im Strafrecht gilt, finde im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer*innen und Versicherer keine Anwendung.

Das Gericht befand außerdem, dass die Versicherungsnehmerin vorsätzlich gehandelt habe, da sie erkennen konnte, dass die Auskünfte ihres Bevollmächtigten im Jahr 2018 unzureichend waren. Zudem hatte sie drei Monate Zeit, um den Anforderungen der ergänzenden Beantwortung nachzukommen. Das Gericht folgerte daraus, dass die Versicherungsnehmerin die Fragen bewusst unvollständig und unzutreffend beantworten wollte.

Es wurde auch festgestellt, dass die Versicherungsnehmerin sich der Auswirkungen der mangelhaften Beantwortung der Fragen auf die Feststellung des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistung bewusst war. Das Gericht berücksichtigte, dass der Verdacht einer vorsätzlichen Brandlegung bestand und gegen eine Person im Umfeld der Versicherungsnehmerin ermittelt wurde – diese wurde jedoch vor dem Amtsgericht Osnabrück vom Verdacht der Brandlegung freigesprochen. Die unzureichende Beantwortung der Fragen sollte den Verlust des Leistungsanspruchs minimieren.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und die Entscheidung kann innerhalb eines Monats mit einer Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg angefochten werden.
(LG Osnabrück, Urteil vom 24.05.2023 – Az. 9 O 3254/21)

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