Bausparkassen raten naturgemäß zum Kauf von Häusern und Wohnungen zur finanziellen Entlastung im Alter. Doch Immobilienexperten schütteln darüber nur den Kopf – und machen eine andere Rechnung auf. Von Richard Haimann

Im Alter wird das Wohnen für die Deutschen zur immer größeren finanziellen Belastung. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Danach müssen Rentner im Mittel inzwischen 26,3 Prozent ihres verfügbaren Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aufwenden.

Vor zehn Jahren waren es nur 24,7 Prozent. Bei Berufstätigen sind hingegen die finanziellen Belastungen durch die Kaltmiete seit 2002 geringfügig von 20,5 auf nur noch 20,3 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens zurückgegangen.

„Dies dürfte daran liegen, dass die Haushaltseinkommen der Erwerbstätigen stärker gestiegen sind als die Einkünfte der Rentner“, sagt Gregor Schneider, Marktforscher bei den Landesbausparkassen (LBS). Die Zahlen zeigten, wie wichtig die Bildung von Wohneigentum für ein sorgenfreies Leben im Alter ist. „Die Mietersparnis durch abgezahltes Wohneigentum macht sich besonders im Ruhestand bemerkbar, da die Rente meist deutlich niedriger ausfällt als der letzte Nettolohn.“

Nach einer Studie des Verbands der Privaten Bausparkassen könnten Senioren, die in den eigenen vier Wänden statt zur Miete wohnen, pro Monat 518 Euro sparen. „Mietfreies Wohnen entlastet die Rentnerhaushalte erheblich“, sagt Verbandschef Andreas Zehnder. Für die Lebenshaltung bleibe im Alter mehr Geld übrig.

Anpassung an das geschrumpfte Einkommen
Experten bezweifeln jedoch, dass diese Annahmen richtig sind. „Die Mietbelastung steigt im Alter bei jenen Rentnerhaushalten, die ihre Wohnungsgröße nicht an das geschrumpfte Einkommen anpassen“, sagt Professor Tobias Just von der Universität Regensburg. Viele Senioren würden an ihren alten Wohnungen festhalten, obwohl die Kinder längst aus dem Haus sind und der Partner sogar verstorben ist, anstatt in eine kleinere, günstigere Wohnung zu ziehen.

„Dies führt zwangsläufig dazu, dass der Mietkostenanteil an der Gesamtbelastung steigt, weil das verfügbare Einkommen im Rentenalter sinkt“, bestätigt Günter Vornholz, Professor an der EBZ Wirtschaftshochschule Bochum. Daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass Wohneigentum zwangsläufig zu mehr verfügbarem Kapital im Alter führt.

„Familien, die ein Haus oder eine Wohnung erwerben, müssen für die Immobilienfinanzierung über Jahrzehnte hinweg deutlich mehr Kapital aufwenden, als an Mietbelastungen in dieser Zeit anfallen würde“, sagt Just.

Je nach Höhe des verfügbaren Eigenkapitals und der Zinssätze bei der Baufinanzierung könnten sich die Belastungen durch das Darlehen auf mehr als 70 Prozent des Kaufpreises der Immobilie summieren, gibt Thomas Beyerle, Chefanalyst der Immobiliengesellschaft IVG, zu bedenken. Hinzu kommen Nebenerwerbskosten aus Grunderwerbsteuern, Grundbuch- und Notargebühren sowie Maklercourtage. Sie betragen im Mittel mehr als 13 Prozent des Kaufpreises.

Mieter stehen manchmal besser da
„Wohnen Familien hingegen zur Miete und legen die sonst für einen Immobilienkredit anfallenden Kosten für das Alter zurück, stehen sie im Rentnerdasein häufig besser da als Grundeigentümer“, sagt Beyerle. Dies gelte insbesondere dann, wenn das eigene Haus oder die Wohnung im Alter verkauft werden muss, um in eine betreute Wohnanlage oder ein Pflegeheim zu ziehen. „Wenn der Preis der Immobilie seit dem Kauf stagnierte oder sogar gefallen ist, verfügen sie dann über deutlich weniger Kapital als Mieterhaushalte, die kontinuierlich finanzielle Rücklagen für das Alter gebildet haben“, sagt der Analyst.

Trotz der Börseneinbrüche 2002 und 2008 haben in deutsche Aktien investierende Fondssparpläne seit 1982 nach Berechnungen des Fondsverbands BVI pro Jahr im Schnitt immerhin eine Rendite von 6,6 Prozent erzielt. Bei global investierenden Aktienfonds waren es 5,3 Prozent, bei internationalen Rentenfonds waren es ebenfalls 5,3 Prozent.

Hingegen sind in Kleinstädten und ländlichen Regionen seit Mitte der 90er-Jahre die Immobilienpreise im zweistelligen Prozentbereich gefallen. Dieser Trend werde anhalten, weil hier die Nachfrage nach Eigenheimen und Wohnungen weiter sinken wird, warnt Vornholz. „Jüngere Familien ziehen in die Großstädte, wo es ein breites Jobangebot gibt.“ Zudem mache die am Arbeitsmarkt geforderte Flexibilität den Eigentumserwerb für jüngere Beschäftigte unattraktiv.

Hohe Instandhaltungskosten

„Ein Eigenheimerwerb ist ökonomisch für all jene unsinnig, die damit rechnen müssen, bald an einem anderen Ort zu arbeiten“, sagt Vornholz. Selbst in Großstädten mit steigenden Immobilienpreisen dauere es Jahre, bis die hohen Nebenerwerbskosten durch den Wertzuwachs wettgemacht seien. Ist die Immobilie einmal abbezahlt, bleiben aber finanzielle Belastungen, sagt Just. „Grundeigentümer werden im Alter häufig mit hohen Instandhaltungs- und Reparaturkosten konfrontiert, weil das Haus auch in die Jahre gekommen ist.“

Artikel erschienen am 05.07.2012 in Welt Online